1. Sichelstraße 8
Seit 1908 kaum verändert hat sich der Ausblick, der sich Passanten bietet, wenn sie an der Ecke Sichelstraße – Deworastraße stehen. Heute wie damals dominiert dort ein imposanter, neuromaischer Prachtbau, dessen detailliert ausgearbeitete Eckfassade dem Klischee entgegensteht, Verwaltungen müssten pure Langeweile ausstrahlen. Wo heute das städtische Hochbauamt und das Amt für Schulverwaltung und Sport sitzen, tummelten sich auch schon zu Erbauungszeiten Verantwortungsträger der preußischen Verwaltung in den Bürogängen. Dem Bau selbst ist sein behördlich-pünktliches Innenleben aber nicht anzusehen. Ganz im Gegenteil: Die zahlreichen Bilddetails der im Jahre 1903 fertiggestellten Fassade wecken Interesse und laden zum Verweilen ein. So zum Beispiel die drei kreisrunden Fensterverzierungen, die den ersten Stock der Fassade abschließen. Während mittig die preußische Königskrone zu sehen ist, weisen die Bilder links und rechts der Krone auf den Zweck des Gebäudes hin. Links ist ein Greif erkennbar, dem Münzen aus dem Maul genommen werden. Entsprechend der Sage ist der Greif ein Goldsammler – doch auch er ist vor den Steuereintreibern des Königs nicht sicher. Auf der rechten Seite ist ein Ingenieur erkennbar, der Pläne mit einem Zirkel zeichnet – ein symbolischer Hinweis auf die Gebäudenutzung als Vermessungs- und Katasterbehörde.
2. Nordallee
Ruhe und Erholung zwischen blühenden Bäumen machten die Trierer Nordallee zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem beliebten Ort zum Flanieren. Die historische Aufnahme zeugt dabei vom Status der ehemaligen Nussbaumallee als eine der städtischen Prachtmeilen. Besonders die Bekleidung der Bummler und Spaziergängerinnen ist dabei bemerkenswert. Die fotografierten Trierer und Triererinnen zeigen zeitgenössischen Geschmack, den zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor allem die Pariser Weltausstellung prägte. Neben Zylinder, Spazierstock und Damenhandschuhen lag auch vor allem der Panama-Strohhut voll im Trend. Hier zu sehen auf der linken Seite, getragen von einer fünfköpfigen Gruppe aller Altersklassen, musste die deckelförmige Kopfbedeckung aber noch für fünf Jahre auf ihren Namen warten. Erst 1913, nach der Fertigstellung des Panamakanals, konnte sich die Bezeichnung allgemein durchsetzen.
3. Göbenstraße
Architektonisch hat sich die Ecke Nordallee-Göbenstraße seit dem Jahr 1909 deutlich verändert. Anstelle des historischen Eckhauses, umschlossen von einer steinernen Gartenmauer, ist heute vor allem der auffällige Anbau an die Gründerzeitvilla zu sehen, der 1932/33 den Garten ersetzen sollte. Der moderne Anbau, der heute zwar leer, aber dafür unter Denkmalschutz steht, war zunächst eingeschossig und sollte als Café mit Dachterrasse dienen. Erst 1956 folgt die Aufstockung des Gebäudes um die erste Etage, die heute als markanter Blickfang die Straßenecke prägt. Die knapp drei Meter hohe Fensterfront bietet einen umfassenden Ausblick auf die Nordallee und ihr reges Verkehrstreiben. 1909 war solch ein genauer Blick, so beweist die historische Aufnahme, noch nicht nötig. Während ein vollbesetzter Motorwagen gemächlich die Schienen der herannahenden Straßenbahn kreuzt, schaut der Polizist, rechts unten im Bild, entspannt in Richtung Hauptbahnhof. Wie kann ihm der Verkehrssünder so leicht entgehen? Tut er gar nicht – denn das quere Kreuzen der Fahrbahn war damals noch erlaubt.
4. Domstein
Wahrscheinlich kennt fast jeder Trierer nicht nur das ‚Domstein-Gedicht‘, das die historische Postkarte ziert, sondern ist in Kindertagen auch selbst schonmal den massiven Säulenrest vor dem Eingangsportal des Doms heruntergerutscht. Auch die Teufelslegende ist unter Trierern, jung und alt, wohlbekannt. Wer hat nicht schon einmal davon gehört, dass gewitzte Trierer Bauarbeiter den Teufel an der Nase herumführten und ihm, zur Zeit des Dombaus, weißmachen konnten, anstelle eines Gotteshauses solle ein gigantisches Wirtshaus im Herzen der Stadt entstehen? Erst nachdem der Teufel drei massive Steinpfeiler zur Stütze des Wirtshausdaches angeschleppt hatte, packte ihn das Misstrauen und, als er erbost erkennen musste, getäuscht worden zu sein, schleuderte er die vierte Säule in Richtung der Baustelle. Getroffen hat er zwar nicht, aber der Stein ist noch da. So weit, so bekannt die Legendenlage. Wen aber zeigt die historische Postkarte neben den rutschenden Jungs? Wer sich schonmal den Heuschreckbrunnen in der Stresemannstraße angeschaut hat, könnte ihn wiedererkennen. Das abgebildete Trierer Original ist Johannes Leidner (oder auch liebevoll Wichshänschen genannt) – ein stadtbekanntes, historisches Mitglied des Karnevalvereins Heuschreck KG.
Historische Bildquelle: Stadtarchiv Trier, Bildsammlung 7 (Postkartensammlung Dr. Ernst Piro), hier nach Walter Queck (Hg.), Trier in alten Ansichtskarten, Frankfurt a. M. 1977.
Eine Zeitreise ins historische Trier: In vier Stationen von der Nordallee bis zum Domstein