Flanier durch TrierMuseumsstadt

Der Sieger und sein Drängler

Der Sieger und sein Drängler

Das berühmte römische Mosaik des Wagenrennfahrers Polydus ist im Rheinischen Landesmuseum wieder zu sehen – in den eigenen vier Wänden

 

Es wird nicht sein erster Sieg gewesen sein. Nicht das erste Mal, dass Polydus, der gefeierte Rennfahrer der Roten, den Palmzweig und den Lorbeerkranz in die Höhe recken durfte. Und auf keinen Fall das erste Mal, dass die Menge ihm begeistert zujubelte, als er und die vier Pferde seiner Quadriga sich erschöpft aus dem Staub des Circus in die Privaträume seines Rennstalls zurückzogen – natürlich nicht, ohne dem ranghohen Beamten, der das Rennen ausgerichtet und bezahlt hatte, auf dessen Tribüne noch einen Ehrengruß zu erweisen.

 

 

Vom Trierer Circus ist heute oberirdisch nichts mehr zu sehen. Einst erstreckte sich das rund 450 Meter lange und 200 Meter breite Bauwerk unterhalb des Amphitheaters, beginnend ca. an der Ecke Hermesstraße/Egbertstraße und sich dann über Schützen- und Kronprinzenstraße bis zur heutigen Agritiusstraße erstreckend. Der dortige, nördliche Abschluss war, wie für einen Circus üblich, halbrund gestaltet; wer heute die Gartenfeldstraße entlangfährt und den kleinen Supermarkt linkerhand hinter sich lässt, erkennt an der kleinen Kurve, die sich an der Ecke von St. Agritius im Übergang zur Agritiusstraße befindet, exakt die nordwestliche, halbrunde Ecke dieses Prachtbaus.

Während ein Amphitheater in vielen römischen Städten zur Standardausstattung gehörte, besaß ein Circus immer einen besonderen Status. Schließlich musste es allein genügend Menschen geben, um ihn zu füllen: Auf ungefähr 25.000 Sitzplätze schätzt man den Trierer Circus. Das entspricht zwar nur einem Viertel bis einem Sechstel des Platzkontingents im römischen Circus Maximus zur Zeit des Augustus – aber dieser war schließlich bereits dem Namen nach der größte des Römischen Reiches. Für eine Stadt wie Trier bedeutete der Bau eines Circus dennoch eine besondere Auszeichnung.

Dass man vom Trierer Circus oberirdisch nichts mehr fassen, dafür aber einem vermutlich auch in Trier tätigen Wagenrennfahrer Auge in Auge gegenüberstehen kann, ist ein glückliches Kuriosum. Wobei Auge in Auge so eine Sache ist: Das Mosaik misst knapp 5,90 Meter in der Höhe, rund 4,40 Meter in der Breite, und hängt im Rheinischen Landesmuseum an der Wand. Lange Jahre konnte es aufgrund einer davor gezogenen Schutzwand nicht besichtigt werden. Nun jedoch erstrahlt es in seinem eigenen, langgestreckten Raum, abgetrennt vom Mosaikensaal, voll ausgeleuchtet und in seiner ganzen, imposanten Größe, die es nicht möglich macht, das Kunstwerk, so wie im 3. Jahrhundert, auf den Boden zu legen. Selbst für die ganz Hochgewachsenen unter uns wird es mit dem „In die Augen sehen“ also schwierig. Aber in Augenschein nehmen, das sollte bei der neuen Präsentation ein Muss sein.

 

Polydus ist stehend auf seiner Quadriga abgebildet, einem Vierer-Pferdegespann, das im Römischen Reich zu den beliebtesten zählte, bot es doch genau die richtige Mischung aus Nervenkitzel und Übersichtlichkeit. Denn je mehr Pferde vor einen Wagen gespannt werden, desto mehr Können muss der Rennfahrer an den Tag legen – eine Quadriga bot also mehr Spannung als ein Zweier- (biga) oder Dreiergespann (triga). Sechs oder acht Pferde vor einem Wagen machte ein Rennen jedoch schnell unkalkulierbar – für Rennfahrer und Zuschauer.  

Dazu trugen die besonderen Schwierigkeiten bei, die durch den Ablauf des Rennens zur Serienausstattung gehörten. Alle Rennfahrer starteten auf gleicher Höhe und mussten daher einen umso größeren Weg zurücklegen, je weiter außen sie zu Beginn des Rennens standen. Wem dieses Pech zuteilwurde, entschied vor dem Rennen das Los. Wie bei jedem heutigen Rennen auch, versuchten die Rennfahrer möglichst schnell auf die Innenbahn zu gelangen und diese nur zu Überholvorgängen zu verlassen. Sieben Runden hatten sie Zeit, um sich an die Spitze zu setzen; die Anzahl der gefahrenen Runden wurde auf der spina, also der Mittelinsel des Circus, durch hölzerne Eier, später durch Delphine angezeigt, eine Reminiszenz an den Meeresgott Neptun, der auch als Schöpfer der Pferde verehrt wurde.

Sieben Runden bedeuteten vierzehn Linkskurven, die die Rennfahrer meistern mussten. Hier waren Taktik, Nervenstärke und eine gewisse Portion Rücksichtslosigkeit gefragt – nicht nur bei den Menschen, sondern auch bei den Pferden. Der beste Vierbeiner eines Gespanns wurde stets an die ganz linke Position gesetzt: Er musste bei einem Start ganz außen nach innen ziehen und bei Linkskurven hoch sensibel auf den Zügelschlag des Rennfahrers reagieren. Denn durch die für Mensch und Tier stark spürbare Fliehkraft (Gespanne konnten auf gerader Strecke über 70 km/h schnell werden, besaßen in den Kurven aber noch immer Geschwindigkeiten von ca. 25 km/h) und den weiteren Weg für die außen laufenden Tiere eines Gespanns, musste der Fahrer das ganz innen laufende Pferd besonders sanft, aber streng einbremsen und sich darauf verlassen, dass es nicht scheute. Fiel er vom Wagen, war das mit schwersten Verletzungen und zum Teil tödlichem Ausgang verbunden: nicht nur, dass die nachfolgenden Hufe und Räder ihn unter sich begruben, auch die Zügel, die er sich um den Körper geschlungen hatte, schleiften ihn hinter dem Wagen her und konnten ihn dabei erwürgen. Zwar trug jeder Rennfahrer ein Messer mit halbrunder Klinge bei sich, um im Notfall die Lederriemen durchschneiden zu können, doch das bot nur in eingeschränktem Maße Sicherheit.

 

 

Somit kam dem linken Pferd die Rolle des Leitpferdes zu. Auf dem Polydus-Mosaik ist es deshalb eines der wenigen Pferde der römischen Geschichte, dessen Name überliefert ist: Compressore, übersetzt soviel wie „der Drängler“. Und da dieser seine Arbeit offensichtlich vorbildhaft ausführte, ist er auf dem Mosaik mit besonderem Schmuck ausgezeichnet: Der durch seine hellere Farbe hervorstechende Hengst trägt um seinen Hals einen besonderen Schmuck, seine Halskette ist größer und detailreicher als die seiner Mitgaloppierer. Kein Wunder, glaubten die Römer doch daran, dass Tiere mit besonderen Aufgaben ein Glücksbringer bei der Arbeit unterstützen konnte – so trägt auch der Jagdhund auf dem Elternpaarpfeiler in der neben dem Mosaikensaal liegenden Gräberstraße einen so genannten lunula-Anhänger, einen kleinen, waagrecht stehenden Mond, an seinem Halsband.

Vom Ruhm des Siegers profitierte somit auch Compressore – inwieweit er auch am finanziellen Zugewinn beteiligt war, bleibt ungewiss. Denn die meisten Wagenrennfahrer begannen ihre Laufbahn zwar als Sklaven, konnten durch Mut, Geschick und ein Quäntchen Glück aber hohe Gewinnsummen einfahren, um sich damit nicht nur freizukaufen, sondern auch – nach und während ihrer aktiven Karriere – einen mehr als gutbürgerlichen Lebenswandel zu pflegen. Auf Polydus, der als Star des Circus sogar auf dem Fußbodenmosaik eines reichen Römers verewigt wurde und viele Jahrhunderte später bei Grabungen in der Vorgängerbebauung der heutigen Kaiserthermen wieder ins Licht der Öffentlichkeit fuhr, dürfte dies zweifellos zugetroffen haben. Und auch Compressore wünschen wir natürlich, dass seine Haferration und Stallunterkunft seinem Status als Leitpferd gerecht wurde.

Die neue Präsentation des berühmten Polydus-Mosaiks sollte sich kein Besucher des Rheinischen Landesmuseums entgehen lassen; zu sehen ist es während der normalen Öffnungszeiten des Museums an der Stirnseite des Mosaikensaals: Dienstag bis Sonntag: 10 – 17 Uhr (letzter Einlass: 16:30 Uhr). Für geführte Gruppen nach Voranmeldung auch dienstags bis freitags ab 9:30 Uhr. Geöffnet an Karfreitag, Ostersonntag, Ostermontag, Tag der Arbeit (1. Mai), Himmelfahrt, Pfingstsonntag, Pfingstmontag, Fronleichnam, Tag der deutschen Einheit und Allerheiligen. Geschlossen an Rosenmontag, Weihnachten (24./25./26.12.), Silvester und Neujahr (31.12. und 01.01.).

 

 

Das berühmte römische Mosaik des Wagenrennfahrers Polydus ist im Rheinischen Landesmuseum wieder zu sehen – in den eigenen vier Wänden

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Paula redet gerne und viel. Mit sich, ihren Kindern, Katzen, Kollegen und Kumpel. Was sie dabei nicht unterbringt, schreibt sie nieder. Zur Entlastung und Belustigung ihrer Umwelt. Ob das gelingt? Darüber hüllt sich der Mantel des Schweigens. Zumindest so lange, bis Paula weiterredet.

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