Im Porträt

Das Ankommen im Weitermachen – Michael Gubenko im Porträt

Das Ankommen im Weitermachen –  Michael Gubenko im Porträt

In seinen Stücken fragt Dramaturg und Regisseur Michael Gubenko nach den Möglichkeiten des Aufbruchs, des Ankommens und des Sich-selbst-Findens: interdisziplinär, generationenübergreifend und mit Inszenierungen, die man nicht an jeder, aber an jeder besonderen Ecke Triers finden kann. Für die „Trierer Unterwelten“ kommt nun ein ganz neues Stück zur Uraufführung.

Ein junger Revolutionär, der das mehrheitliche Denken seiner Zeit ablehnt und seine zukünftige Rolle in der Geschichte sucht. Eine junge Frau, die mit Erwartungen und Vorurteilen der älteren Generation konfrontiert wird und ihre zukünftige Rolle in ihrer neuen  Heimatstadt sucht. Ein junger Autor, der sich mit den einfachen Menschen Sibiriens identifiziert und denen er eine Stimme zu geben sucht. Immer wieder ist es die Suche, die Regisseur und Dramaturg Michael Gubenko umtreibt. Und die sich in seinen aktuellen und vergangenen Projekten häufig an jungen Menschen entzündet, zugleich aber generationenübergreifend ist. „Die Frage des Ankommens und des Zugehörigseins treibt mich immer wieder um“, nickt Gubenko, „auch aufgrund meiner eigenen Biographie.“ 1998 kam Gubenko, geboren und zunächst aufgewachsen in Riga, als 13jähriger nach Deutschland. Integrierte sich, lernte die Sprache. Und wurde doch damit konfrontiert, dass dies die soziale Integration nicht zum Selbstläufer machte. „Integration hat ja nur bedingt etwas mit dem Erlernen der Sprache zu tun“, resümiert er.

Michael Gubenko führte Regie bei der Schauspielführung, die zum 200jährigen Geburtstags von Karl Marx 2018 geschrieben und inszeniert wurde.

Und doch wurde die Sprache zu einem wichtigen Teil seiner Identitätsfindung.  Im Wintersemester 2005/2006 kam er aus dem saarländischen Lebach nach Trier und schrieb sich an der Universität für die Fächer Germanistik, Slawistik und Geschichte ein. Seit 2014 promoviert er zu dem russischen Schriftsteller Wassili Makarowitsch Schukschin. Was mit dem Arbeitstitel „Freiheit und Integration als Erfahrungen des literarischen Figurenbewusstseins in der Erzählprosa Wassili Schukschins“ etwas sperrig daherkommt, umschreibt eine Erfahrung, die viele von uns nachvollziehen können: Wie kann ich mich persönlich entfalten, wenn diese Entfaltung mich sozial an den Rand rückt? Wie entscheide ich mich, wenn mir das Wertesystem Grenzen aufzeigt, die mir zu eng sind?

Integration hat ja nur bedingt mit dem Erlernen der Sprache zu tun.

Michael Gubenko

Früh hat sich Gubenko auch künstlerisch mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Im August 2008 formierte sich das Theaterprojekt „bühne 1“ mit dem Ziel, Studierende aller Fachbereiche an den professionellen Theaterbetrieb heranzuführen. Beim Casting setzte sich der damals 23jährige als einer von acht Schauspieler*innen durch und wurde so zum Gründungsmitglied. 2010 übernahm er das Ensemble und arbeitete weiter daran, sich mit Aufsehen erregenden Inszenierungen, anfangs vor allem im Studio des Theaters Trier, einen Namen zu machen. Mit Erfolg. Schon nach kurzer Zeit stand die „bühne 1“ in Trier für ausverkaufte Veranstaltungen, für deutsche Uraufführungen und für intensive Inszenierungen, die unter die Haut gingen. Kein Wunder, dass sich schnell Mitstreiter fanden. 2016 formierte sich die „bühne 1“ als Verein neu und zählt aktuell über 50 Mitglieder – nicht nur aus dem Bereich Schauspiel, sondern auch aus der Bildenden Kunst, der Musik und des Intermedia Designs.

Trailer zu „Aufzeichnungen“

Entsprechend interdisziplinär sind die neueren Stücke der „bühne 1“ angelegt. Als Pre-Opening des „Triererer Unterwelten„-Festivals (29. Oktober bis 20. November 2021) wird ab dem 21. Oktober an insgesamt acht Terminen im Historischen Keller in der Simeonstraße das Stück „Aufzeichnungen“ nach Texten von Nikolai Gogol und Fjodor Dostojewski aufgeführt. Auch darin wird es um die Frage der Selbstfindung gehen – und darum, wie Macht und Unterdrückung unser privates Miteinander beeinflussen. „Das Schlimme an der Gewalt“, so fasst Gubenko die Leitlinie seiner Inszenierung zusammen, „ist nicht, dass sie überwältigend ist, wenn wir ihr begegnen. Sondern dass wir sie in uns tragen, wenn wir weitergehen. Wir reproduzieren die Gewalt, wo es nicht sein müsste.“

Michael Gubenko will auch ernste Themen mit einem satirischen Augenzwinkern beleuchten – wie in der SchauspielführungMarx! Love! Revolution!“

Klingt nach schwerer Kost. Doch für Michael Gubenko ist es auch immer wichtig, an bestimmten Punkten mit einem satirischen Augenzwinkern ernste Themen zu unterwandern – ohne sie dadurch ins Lächerliche zu ziehen. Gelungen ist ihm das bereits bei „Marx! Love! Revolution!“ aus der Feder des Berliner Autoren Johannes Kram, der anlässlich des 200jährigen Geburtstags von Karl Marx 2018 im Auftrag der Trier Tourismus und Marketing GmbH ein Theaterstück schrieb und inszenierte. In ihm laufen die Zuschauer*innen mit dem 17jährigen Marx an dessen letzten Schultag durch seine Geburtsstadt Trier und erleben hautnah, wie der noch gänzlich unbekannte Abiturient mit dem Staat, den Moralvorstellungen und der sozialen Ungerechtigkeit hadert, den restriktiven Rahmen seiner Zeit durchbrechen möchte und zugleich die Liebe seines Lebens zu erobern hofft. Als ein neuer Schauspieler für die Rolle gesucht wurde, schlug Gubenko ein Mitglied aus seinem „bühne 1“-Ensemble vor – und fand sich kurze Zeit später selbst in der Regisseurrolle wieder. In Absprache mit Johannes Kram konnte er einige seiner inszenatorischen Ideen umsetzen: nicht nur in textlicher Hinsicht, sondern auch, was die Requisiten betraf (kleiner Tipp für zukünftige Zuschauer*innen: Marx‘ Pullover und die Aufnäher auf seinem Rucksack tragen Gubenkos Handschrift!).

Mein Traum ist es, mich mehr auf die künstlerische Arbeit fokussieren zukönnen und für die große Bühne zu arbeiten.

Michael Gubenko

Anfang Oktober wird zudem Gubenkos eigenes Stück „Vergissmeinnicht“ im Rahmen des „kulturlust21“-Festivals elf weitere Aufführungen erfahren – ein Stück für Schüler*innen, Studierende, Azubis und alle Menschen, die neu nach Trier kommen. Einige Texte des Stationenstücks haben externe Autor*innen geschrieben, die Mehrzahl stammt jedoch von Gubenko selbst, der als Regisseur auch die Umsetzung verantwortet. Eine Doppelrolle, in der er sich auch in Zukunft sieht – selbst wenn er zur Zeit als Lehrer arbeitet. „Das macht mir auch großen Spaß“, betont er. „Aber mein Traum ist es, mich mehr auf die künstlerische Arbeit fokussieren zu können und für die große Bühne zu arbeiten.“ Der Weg ist also das Ziel? Nein, das wäre zu platt ausgedrückt. Vielleicht wäre es besser zu sagen: Im Weitermachen liegt am Ende – vielleicht – das Ankommen.

„Vergissmeinnicht“ – Produktion der bühne1

Tipp:

Auf unserem Blog findet ihr noch weitere spannende Porträts zu Persönlichkeiten aus Trier wie Fotokünstlerin Simone Busch und Winzer Sebastian Oberbillig.

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Paula redet gerne und viel. Mit sich, ihren Kindern, Katzen, Kollegen und Kumpel. Was sie dabei nicht unterbringt, schreibt sie nieder. Zur Entlastung und Belustigung ihrer Umwelt. Ob das gelingt? Darüber hüllt sich der Mantel des Schweigens. Zumindest so lange, bis Paula weiterredet.

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