Der Wieweler Orden gegen der Trierischen Ernst
Am lautstärksten unterscheidet sich der Trierer Karneval von seinem rheinischen großen Bruder durch sein Rufen. Anstelle des typisch kölschen Alaaf schallen durch Trier entweder das überregional bekannte Helau, das für die KG Heuschreck typische Halaudi oder, aus dem rosa Karneval, ein dreifaches Trier maju. Es gibt aber noch anderes, was allein den Trierer Karneval auszeichnet. So wird zum Beispiel bereits seit 1964 alljährlich der Orden gegen den Trierischen Ernst vergeben – die höchste Ehrung der Traditions-KG „M’r wieweln noch“ en Zalawen Trier 1911 e.V. und eine der höchsten Ehrungen des Trierer Karnevals insgesamt. Was die Aachener Karnevalisten mit diesem Orden zu tun haben, was es alles braucht, um Ordensträger zu werden und was das eigentlich sein soll, dieser Trierische Ernst, das haben uns Peter Kretzschmar, 1. Vorsitzender der Wieweler, und Helmut Haag, diesjähriger und damit Ordensträger im 60. Jahr dieser Auszeichnung, im Gespräch erzählt.
Ehre, wem Ehre gebührt
Ordensträger Helmut Haag während seiner Dankensrede bei der Wieweler Ordensverleihung 2024
Karneval besteht nicht nur aus Kostümen, Kamelle und Krapfen (bzw. Mäuschen oder Meisjoa wie der Trierer sagt). Der Wieweler Orden gegen den Trierischen Ernst ist Zeichen dafür, dass es den Mosel-Karnevalisten ganzjährig um die Stärkung des städtischen Lebens und seiner Kultur geht. Das gilt nicht nur für die Wieweler, sondern für alle der 17 Trierer Karnevalsvereine. Der Wieweler Orden gegen den Trierischen Ernst ehrt alljährlich einzelne Stadtkinder, die sich regional in besonderem Maße für die Kultur, das Soziale oder die Politik einsetzen. Mit Helmut Haag, der für seine langjährige Darstellung des Trierer Originals Fischers Maathes bekannt ist, sich aber derzeit vor allem für den Erhalt der Trierer Mundart engagiert und Gründungsmitglied sowie Ehrenvizepräsident der Trierer Viezbruderschaft e.V. ist, erreicht die Ehrung einen „der großen Kulturschaffenden Triers,“ so Peter Kretzschmar. Für den Ordensträger selbst ist die Ehrung in diesem Jahr doppelt schön, denn das 60. Ordensjubiläum kommt pünktlich zu einem persönlichen Jubiläum: „Ich bin selber gerade 60 geworden und als ich mir die Liste der Ordensträger angesehen habe, war es schön, viele zu finden, die ich kenne und von denen ich auch weiß, dass sie mich kennen – es sind wirklich Trierer Persönlichkeiten dabei. Ich war sehr angetan von dieser Ehrung und sie hat mir sehr viel bedeutet. Was mich besonders gefreut hat ist, dass der Orden zwar von einer Karnevalsgesellschaft verliehen wird, aber nicht für reine Verdienste im Karneval. Es war eine Freude für mein ganzes bisheriges Aktivitätenspektrum so eine Anerkennung zu bekommen. Das hat mich sehr gerührt.“
Narrentum im Ehrenamt
v.l. Oberbürgermeister Wolfram Leibe (Vorjahresordensträger und Laudator), Helmut Haag, Peter Kretschmer (1. Vorsitzender der Karnevalsgesellschaft Wieweler)
Die Geschichte des Trierer Karnevals ist fast so lang, wie der ein oder andere Kalauerbart in der Bütt. Peter Kretzschmar, der sich mit dieser Geschichte bestens auskennt, weiß genau, warum sich das kleine Trier – auch im Schatten von Köln und Mainz – zu einer Karnevalshochburg entwickeln konnte. Während es im professionalisierten Karneval der Metropolen dazugehört, Musik-Acts und Redner einzukaufen, lebt der Trierer Karneval ganz aus seinen Vereinen und hat sich sein Herz damit über die Jahre bewahrt. „Das heißt,“ erklärt Kretzschmar, „daß unheimlich viele Menschen sich im Ehrenamt unheimlich viel Mühe machen, um dafür zu sorgen, dass so ein Karneval in Trier stattfinden kann. All‘ diese Leute machen das aus Leidenschaft, Lust und Hobby und das merkt man auf den Veranstaltungen.“ Ähnliches erzählt Helmut Haag aus seiner aktiven Narrenzeit: „In 25 Jahren bei der KG Heuschreck durfte ich erleben, dass, entsprechend dem gewählten Motto, keine traditionelle Kappensitzung, sondern eine sehr unterhaltsame revue-artige Produktion – über Kinderballett bis Männerchor – ausschließlich im Ehrenamt auf die Bühne gebracht wird: toll! Das war auch die Motivation, dabei sein zu dürfen. Bei den Wiewelern ist das sehr ähnlich: Sie sind zwar etwas kleiner und familiärer, aber wenn man sieht, was da auf die Beine gestellt wird, das verdient allergrößten Respekt.“ Die Wieweler, deren diesjährige Session unter dem Motto Wiewel Rock You läuft, sind dementsprechend zu Recht stolz auf ihre gemeinsame Leistung. Ihr Erfolgsgeheimnis scheint dabei ein enger Zusammenhalt zu sein: „Egal, ob jemand in der Kindergarde tanzt oder im Ehrenrat als wirtschaftlicher Faktor dabei ist,“ so Kretzschmar, „jeder wird respektiert: Jeder ist vollwertiges Mitglied. Wir sind ca. 65-70 Aktive und jeder hat denselben Stellenwert, auch das kleinste Kind der Kindergarde – jeder ist Teil der Wieweler Familie.“
Die Sache mit dem Trierischen Ernst
Ehrenurkunder der Wieweler für Helmut Haag
Zum ersten Mal vergeben wurde der Orden gegen den Trierischen Ernst 1964 – und löste dabei auch gleich einen Streit mit dem Aachener Karnevalsverein (AKV) aus. „Die Aachener,“ so erzählt Kretzschmar, „vergeben seit 1952 den Orden wider den tierischen Ernst. Der damalige Präsident des AKV warf den Trierern vor, ihren Orden zu plagiieren und hat deshalb Beschwerde eingelegt beim Bund deutscher Karneval. Daraufhin gab es einen hitzigen Schriftwechsel und unser damaliger Präsident (Carel Paoulucci), der den Orden mit ins Leben gerufen hat, hat gesagt, dass es den ‚Trierischen Ernst‘ als Wortspiel ja tatsächlich gibt, im Gegensatz zum tierischen Ernst in Aachen. Deswegen legen wir auch besonderen Wert darauf, dass es der Orden gegen den Trierischen Ernst ist und nicht, wie in Aachen, wider (den tierischen Ernst).“ So ganz weit her scheint es also mit dem Humor nicht bei allen Karnevalisten zu sein. Aber wen wundert’s: Spaß und Ernst liegen schließlich gar nicht so weit auseinander. In seiner Dankesrede für den Wieweler Orden ging Helmut Haag deshalb auch zielsicher darauf ein, dass 1848 in Trier nicht nur das Gründungsjahr der KG Heuschreck war, sondern auch Revolutionsjahr: „Um sich der Verhaftung zu entziehen, wurden in Trier, im Weißhauswald, revolutionäre Schriften vergraben: Hier war richtig was los!“ Gerade durch seinen fröhlichen Anstrich bietet der Karneval auch gesellschaftskritische Möglichkeiten. Aber, fügt Peter Kretzschmar hinzu: „Gerade in Zeiten, in denen Kritisches den Alltag zu dominieren droht, geht es im Karneval auch darum zu lachen.“ Und gerade dieses Engagement gegen den gesellschaftlichen Ernst scheint den Trierer Karneval so eng an die Stadt und ihre Bewohner zu binden: „Der Karneval ist inklusiv. Karneval ist bunt und offen. Einer der letzten Preisträger des Ordens gegen den Trierischen Ernst war Alex Rollinger, der in Trier aufopferungsvolle Arbeit für Toleranz und Offenheit leistet. Auch unser jetziger Stadtprinz, Thomas III. vom KG Heuschreck, zeigt das: Sein Motto für die Session ist Respekt und Toleranz. Das ist für den Karneval ein ganz wichtiges Thema: Karneval ist für jeden. Da spielen sozialer Status, Herkunft, Religion, politische Einstellung keine Rolle.“
In diesem Sinne: Ein dreifach gefetztes Helau all‘ denjenigen, die sich im Trierer Karneval engagieren und dabei für ein buntes Trier sorgen!
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Fotos: Helmut Haag
Der Wieweler Orden gegen der Trierischen Ernst