Wenn Königssöhne auf die Jagd gehen, sind entweder wilde Tiere oder schöne Frauen im Spiel. Im Falle des kalydonischen Königssohns Meleager spielt sogar beides eine Rolle – kein Wunder, dass sein Mythos ziemlich kompliziert ist.
Meleager
Meleager und der Eberkopf
Den bedeutenden Rokoko-Bildhauer Franz Ferdinand Tietz, der ab 1754 sechs Jahre lang in Trier lebte und dort unter anderem die vielen Sandsteinfiguren für den heutigen Palastgarten schuf, schreckte das nicht ab: Er beschäftigte sich mehrfach mit dem abenteuerlustigen Meleager, der in einem bekannten Mythos seine Heimat von einem wilden Eber befreien will. Den hatte Athene, die Göttin der Jagd, seinen Eltern Oeneus und Althaia geschickt, weil die frevelhafterweise ein Opfer an sie vergessen hatten. Nun verwüstete das wilde Tier ganze Landstriche und versetzte Mensch und Tier in Angst und Schrecken. Höchste Zeit für echte Helden!
Eine Frau düpiert ihre Kollegen
Meleager, der kampferprobte Sohn von Oeneus und Althaia, hatte da in seiner jugendlichen Sturm- und Drang-Zeit genau die richtigen Leute kennengelernt: die Argonauten, mit denen er schon erfolgreich das Goldene Vlies erbeutet hatten. Einige von ihnen rekrutierte er nun für die Jagd auf den Eber, darunter auch die windschnelle Läuferin Atalante, deren Mut – so empfand es jedenfalls der zu diesem Zeitpunkt schon verheiratete Meleager – nur durch ihre Schönheit übertroffen wurde. Gemeinsam legt sich die Jagdgemeinschaft nun auf die Lauer. Sie spüren den Eber auf und stürzen sich in den Kampf. Peinlicherweise für die mit Ausnahme von Atalante rein männlich besetzte Gruppe ist es ausgerechnet ihre amazonenhafte Kollegin, die den ersten Treffer setzt. In einem verlustreichen Kampfgetümmel wird das wilde Tier danach auch von anderen Schützen getroffen, ehe Meleager ihm den Todesstoß versetzt. Als romantisches Geschenk will der Königssohn nun Atalante den Kopf des Ebers überreichen. Gekränkt in ihrer maskulinen Waidmannsehre wehren sich vor allem Meleagers beiden Onkel gegen diese ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Auszeichnung für eine Frau. Am Ende wird keiner mehr genau gewusst haben, wie alles derart eskalieren konnte – fest steht: Meleager tötet seine Onkel, die Brüder seine Mutter Althaia, und weil leichte Reizbarkeit offenbar in der Familie liegt, tötet Althaia daraufhin ihren Sohn Meleager. Am Ende also: viele Tote, ein unverteilter Eberkopf und eine außergewöhnliche Sandsteinskulptur im Palastgarten. Immerhin.
Ein beliebter Mythos im Barock
Dass der Mythos des Meleager Aufnahme in das von Franz Ferdinand Tietz erdachte Skulpturenensemble fand, verwundert nicht: Gerade im Rokoko galt die Jagd als wichtiges Element des höfischen Lebens, wenn sie auch nicht so blutig abzulaufen hatte wie in Kalydonien. Und die Verbindung aus Heldenmut und Liebeswahn war schon damals ein Erfolgsgarant für jede gute Geschichte. Daran konnten sich die Gäste des Gartens erfreuen – wenn sie ihn denn im 18. Jahrhundert schon vor Augen gehabt hätten. Doch der Palastgarten in seiner heutigen Form wurde erst rund 150 Jahre später angelegt – da war Tietz natürlich schon lange gestorben. Aber in seinen Statuen ist er unsterblich geworden – was ihn wiederum mit Meleager verbindet. Und mit dem Eberkopf zu dessen Füßen.
Meine Top 3 rund um den Palastgarten
- Auf der Wiese im Palastgarten kann sich wunderbar entspannen und die Sonne genießen. Also packt euch eine Decke ein und macht es euch bequem.
- Der Stadtrundgang „2000 Schritte – 2000 Jahre“ führt am Kurfürstlichen Palais vorbei durch den Palastgarten und gibt Einblicke in die Barocke Prachzeit.
- Ein Gang in die Konstantin-Basilika lohnt sich immer. Hier kann man sich einfach hinsetzten, die Ruhe genießen und das imposante Bauwerk bewundern.
Fotos: Trier Tourismus und Marketing GmbH