Wie Triers Welterbe aus Lego neu entsteht
Jeder, der schon einmal durch die Porta Nigra gegangen ist und im Innenhof einen Blick nach oben geworfen hat, weiß, welche Masse an Einzelsteinen notwendig war, um das etwa 30 m hohe Tor zu konstruieren. Nicht weniger als 7.200 Steinquader wurden zusammengetragen, um den Eingang zur Stadt zu schützen. Die schwersten darunter wiegen bis zu sechs Tonnen – etwa genau so viel wie ein ausgewachsener Elefant. Aber was haben Elefanten und Legosteine gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Doch wenn es nach Winfried Ballmann geht, sind die beiden – also die Porta und Lego – gar nicht so weit voneinander entfernt. In einer Sonderausstellung im Trierer Spielzeugmuseum zeigt der Legokünstler noch bis 2025 seine farbenfrohen Nachbildungen berühmter Römerbauten, darunter auch die 'Porta Inclyta', die der Porta Nigra (beinahe) zum Verwechseln ähnlich sieht. Das heute vergleichsweise unbekanntere Brückentor sicherte das westseitige Trier und damit auch die Römerbrücke.
Bereits seit 1932 begeistern Legosteine, die ursprünglich aus Dänemark stammen, Kinder und Erwachsene gleichermaßen – aber was fasziniert die Generationen eigentlich so an den bunten Klötzchen? Ist es die Möglichkeit, Welten zu erschaffen und neu zu gestalten, oder eher die Herausforderung, scheinbar unmögliche Konstruktionen zu meistern? Für Winfried Ballmann, 76 Jahre alt, begann die Leidenschaft für Lego etwa mit 35 Jahren. „Ich habe das Bauen bei meinem 1 ½ Jahre älteren Bruder gesehen und bin danach immer dabeigeblieben“, erinnert er sich.
© Winfried Ballmann
Triers Welterbe und die reiche Geschichte römischer Architektur insgesamt stehen im Zentrum von Ballmanns Ausstellung im Spielzeugmuseum – detailreich gestaltete Tempel, verspielte Gärten und imposante Stadttore spiegeln die ganze Vielfalt antiker Baukunst im Kleinformat wider. Das Projekt zieht Aufmerksamkeit auf sich – auch bei den jüngsten Fans der bunten Steine. Ballmann ist die Freude anzusehen, wenn er von einem Besuch der Igeler Grundschule erzählt, bei der er nicht nur, gemeinsam mit einer Lehrerin, seinen Nachbau der Igeler Säule und ihrer Historie für die Kinder aufarbeitete, sondern auch die jungen Baumeister eigene Konstruktionen präsentieren durften. Einem Detail widmeten die jungen Archäologen dabei besondere Aufmerksamkeit: Statt des Adlers, der die Original-Säule ziert, thront auf der Legosäule eine Fledermaus – der entsprechende Legostein fehlte schlicht. Gewissenhaft ließen die Kinder Ballmann erst gehen, nachdem er ihnen versprach, den Adler einzusetzen, sobald er ihm in die Hände fällt.
Solche Anekdoten bereichern den ohnehin erheblichen Reiz von Ballmanns Arbeiten noch. Sie zeigen, wie spielerisch Geschichte mit Hilfe von etwas Kreativität vermittelt werden kann. Kinder lernen beim Bauen nicht nur handwerkliche Fähigkeiten, sondern entwickeln auch ein Gefühl für Architektur und historische Epochen. Vielleicht schlummert in dem einen oder anderen bereits der nächste Baumeister von morgen.
Während Ballmanns Nachbildung der Igeler Säule nur etwa zwei Handspannen hoch ist, arbeitet er auch an größeren Modellen. Im vergangenen Jahr stellte er im Bucerius Kunst Forum in Hamburg ein rund drei Meter langes Modell der Trierer Römerbrücke aus. Sogar die Mosel samt Treidelschiff hat er mit den bunten Steinen naturgetreu nachgebaut. Die Wellen des Flusses hat Ballmann durch unterschiedlich farbige Legosteine perfekt eingefangen. Seine Liebe zum Detail ist in jedem Werk spürbar. Nicht nur die Fassaden, sondern auch die Innenräume seiner Modelle sind detailliert gestaltet. Von Fresken an den Wänden bis hin zu unterirdischen Grabkammern – Ballmann lässt römische Geschichte im Kleinformat lebendig werden.
Seit 2017 sind seine Werke auch im Kloster Machern in einer Dauerausstellung zu sehen. Zurzeit laufen außerdem die Vorbereitungen für die dortige Jahresausstellung, bei der auch Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, ihre Lego-Projekte auszustellen. „Es ist toll, dass die Kinder ihre Arbeiten präsentieren können und zusammen mit einer Begleitperson werden sie vom Museum Kloster Machern an beiden Ausstellungstagen auch versorgt,“, erzählt Ballmann. Eine Lego-Börse bietet den Ausstellungsbesuchern zudem die Gelegenheit, sich mit neuen Bausteinen einzudecken – eine ideale Chance für alle Lego-Fans.
© Winfried Ballmann
Winfried Ballmann selbst ist ein echter Trierer, auch wenn er mittlerweile in Duisburg lebt. In seinem Haus dort hat er sich ein wahres Lego-Paradies geschaffen. „Im Keller ist schon nicht mehr viel Raum“, sagt er lachend, „aber ein bisschen Platz habe ich auch für meine Frau freigelassen.“ Der Stauraum wird allerdings knapp, denn seine Sammlung wächst stetig weiter. Trotzdem weiß Ballmann immer genau, wo sich was befindet: „Ich muss fast nie etwas suchen – alles hat seinen festen Platz.“
Neben Römerbauten widmet sich Ballmann auch anderen Epochen. Besonders die Architektur der Maya und Azteken hat es ihm derzeit angetan. „Es ist spannend, sich an den verschiedenen Baustilen zu versuchen“, erklärt er. Oft reicht ihm schon eine grobe Skizze, um die Proportionen eines Bauwerks zu erfassen, bevor er sich ans Werk macht. Mit der Zeit hat er ein Gespür dafür entwickelt, wie er mit Legosteinen den originalen Bauwerken so nah wie möglich kommt – manchmal sogar anhand alter Zeichnungen.
Winfried Ballmanns Bauwerke sind mehr als nur bunte Spielereien – sie sind Hommagen an die große Architektur und Geschichte vergangener Epochen. Wer in den nächsten Monaten in Trier ist, sollte die Sonderausstellung im Spielzeugmuseum auf keinen Fall verpassen. Denn wo sonst kann man imposante Römertore und andere Römerbauten so spielerisch erleben?
Wie Triers Welterbe aus Lego neu entsteht