Jüdisches Leben in Trier – Zwischen Licht und Schatten

Erste Indizien für jüdisches Leben in der Stadt liefern bereits Funde aus der Antike. Belege für eine Gemeinde existieren erst ab dem 11. Jahrhundert. Seitdem ist ihre Geschichte eng mit der Triers verbunden. Wir nehmen euch mit zu bekannten, aber auch zu überraschenden Plätzen und erzählen euch mehr über die wechselhafte Historie der Glaubensgemeinschaft in der ältesten Stadt Deutschlands.

Frühe Hinweise in der Antike und der erste Kreuzzug

Wir beginnen an einem Ort, der vielleicht erstaunt: der Porta Nigra. Dafür gibt es mehrere Gründe: Neben den anderen römischen Bauwerken steht das ehemalige Stadttor für Triers Vergangenheit, die bis in die Antike zurückreicht. Bereits aus dem 4. Jahrhundert stammen erste Hinweise auf jüdisches Leben in der Stadt. Man fand Plomben für Öl und Wein aus Jerusalem, die ein Indiz für jüdische Kulturhandlungen sein könnten. Da diese Verwendung aber nicht zweifelsfrei sichergestellt ist, datiert man den belegten Zeitpunkt der ersten Gemeinde in Trier auf 1066.

Die Porta Nigra: Das Wahrzeichen der Stadt hat ebenfalls einen Bezug zum jüdischen Leben.

Als es im Jahr 1096 zum ersten Kreuzzug kam, predigte der Trierer Erzbischof Egilbertan der Porta Nigra, die Juden zu verschonen. Da er selbst nicht aus der Region stammte, erhielt er allerdings keinen Rückhalt in der Bevölkerung. Daher bat er die jüdische Gemeinde sich taufen zu lassen, was viele von ihnen schützte.

Ein blühender Ort im Mittelalter – das Judenviertel

Die Judengasse nahe des Hauptmarkts

Eine Blütezeit erlebte die Glaubensgemeinschaft im frühen 14. Jahrhundert. Zu diesem Zeitpunkt lebten circa 300 Juden in Trier in einem eigenen Viertel, das sich in der Bauweise nicht vom Rest der Stadt unterschied. Zu diesem gab es vier Zugänge, von denen heute nur noch eines sichtbar ist: Die Judengasse mit der kleinen Judenpforte, die 1219 erbaut wurde. Bei dem Gebiet handelte es sich um die teuerste und beste Lage der Stadt. Die Nähe zum Dom unterstrich den Schutz durch den Bischof und die guten Beziehungen der Juden sowohl zu den Würdenträgern der Kirche als auch zum Rest der Trierer Bevölkerung.

Portal der Liebfrauenkirche

Auch die Liebfrauenkirche hat einen heute noch sichtbaren, wenn auch bitteren Bezug zur jüdischen Geschichte: Unter den Figuren auf der Westfassade finden sich Darstellungen der Ecclesia und Synagoge, die der christlichen Ikonographie des Mittelalters entsprechen. Die Kirche wird als stolze und schöne Frau mit Krone und dem Kreuz als Zeichen der herrschenden Macht und der christlichen Religion gezeigt.

Die Gegenüberstellung mit der Synagoge auf der anderen Seite des Portals zeigt die Überzeugung vom Triumph der christlichen Religion über das Judentum: Die Synagoge steht mit gesenktem Kopf, verrutschter Krone, zerbrochenem Stab und verbundenen Augen auf ihrem Platz und die Gesetzestafeln fallen ihr aus der Hand. Das Bild, das dabei entstehen soll: Sie hat die wahre Religion nicht erkannt und ist geschlagen. Eine mittelalterliche Ansicht, die 1348-1418 in eines der dunkelsten Kapitel der jüdischen Trierer Geschichte gipfelte: Die Pest-Pogrome, die viele Todesopfer forderten, da der Glaubensgemeinschaft der Ausbruch der Pandemie zur Last gelegt wurde. 600 bis 800 Menschen kamen dabei ums Leben oder mussten fliehen. Danach gab es lange Zeit keine Gemeinde und damit kein jüdisches Leben in Trier.

Erst im 17. Jahrhundert war es den Juden wieder möglich, sich in der Stadt an der Mosel anzusiedeln. Vorher war das aufgrund verschiedener Dekrete nicht möglich. Es kam zu einer erneuten Zeit des friedlichen Zusammenlebens: Christen und Juden wohnten nebeneinander in ärmlichen Lebensumständen in der Weberbach oder in wohlhabenderen Verhältnissen in der Fleischstraße. Sie waren gut in das Stadtleben integriert. Ein spätes Beispiel dafür ist der Schriftsteller Louis Scheuer, der viele Jahre das Aushängeschild der Karnevalsgesellschaft Heuschreck war. Seine Familie besaß in der Straße eine Handelsschule, die allen offenstand: Frauen, Juden, Christen.

Das Mahnmal auf dem Rindertanzplatz

Mahnmal in der Rindertanzstraße: Ein Bronzekoffer erinnert an die Deportation der Juden im Jahr 1941.

Der wohl bedeutendste Trierer jener Zeit, der weltweit schriftstellerische Erfolge erzielen konnte, steht beispielhaft für das schwärzeste Kapitel der jüdischen Geschichte in Trier. Denn schon früh, 1933, begannen die Boykotte jüdischer Geschäfte, von denen auch die Privatschule betroffen war, die schließlich 1935 schließen musste. Wie viele andere Juden floh Lois Scheuer aus der Stadt und aus Deutschland. Fast 200 Menschen wurden 1941 am ehemaligen Bischof-Korum-Haus zusammengetrieben, deportiert und ermordet. Ihrem Schicksal gedenkt heute ein Mahnmal in der Rindertanzstraße. Auch zahlreiche Stolpersteine erinnern in der Stadt an die schrecklichen Verluste.

Ein Symbol der Hoffnung

Direkt nach dem Krieg kehrten nur wenige Juden nach Trier zurück und die wenig später neu gegründete Gemeinde umfasste nur etwa dreißig Mitglieder. Die einstige Synagoge am Zuckerberg war 1938 zerstört worden. Ein Steinblock aus deren Ruine bildete den Grundstein eines neuen Gebetshauses und so fand 1956 die Einweihung der neu errichteten Synagoge in der Kaiserstraße statt. Sie bildet heute das Zentrum der jüdischen Gemeinde, die aus über 450 Mitgliedern besteht.

Synagoge in der Kaiserstraße

EXTRA:

In diesem Jahr wird in ganz Deutschland das Jubiläum 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert. Ein Dokument aus Köln überliefert die erste Nennung einer jüdischen Gemeinde auf deutschem Boden. Im Rahmen des Jubiläums finden in diesem Jahr in ganz Deutschland zahlreiche und vielfältige Veranstaltungen statt. Diese sollen an die tief bewegende und sehr wechselhafte Geschichte der jüdischen Gemeinschaft im Land erinnern und dabei die positiven Episoden hervorheben, einen Zugang zum heutigen Judentum vermitteln und zum zukünftigen Miteinander einladen. Eine Übersicht aller Veranstaltungen in Trier anlässlich des Jubiläums gibt es unter: www.juedisches-leben-trier.de

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Titelbild:
Shutterstock

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