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Ruhig und in Frieden

Ruhig und in Frieden

Ein Spaziergang über Triers Hauptfriedhof

Was tun an einem sonnigen Nachmittag in Trier, wenn man die Porta schon kennt, eine Runde an der Mosel zu sportlich klingt und der Palastgarten einfach mal wieder zu voll ist? Ganz einfach: Man geht auf den Friedhof. Genauer gesagt – auf den Hauptfriedhof Trier, der sich überraschend gut als Ziel für einen entschleunigten Stadtspaziergang eignet. Klingt schräg? Ist es nicht. Sondern spannend, grün, geschichtsträchtig – und alles andere als morbide.

Der Trierer Hauptfriedhof ist nicht nur die größte Begräbnisstätte der Stadt, sondern auch die größte zusammenhängende Grünfläche. Seit 1822 werden hier offiziell Menschen zur Ruhe gebettet. Aber der Ort erzählt viel mehr als nur Geschichten vom Ende: Auf über 15 Hektar hinweg trifft man auf über 10.000 Gräber, mehr als 1.400 Bäume und eine Wegeführung, die locker mit einem Museumsrundgang mithalten kann – nur eben unter freiem Himmel, mit Vogelgezwitscher statt Audioguide.

Wer sich auf eigene Faust treiben lässt, entdeckt kunstvolle Grabsteine, verwunschene Ecken und vielleicht sogar eine Katze, die sich auf dem warmen Sandstein sonnt. Wer hingegen tiefer eintauchen will in die Geschichte und Anekdoten, der sollte sich einer Friedhofsführung anschließen. Etwa mit Friedhofsmeister Daniel Klasen, der regelmäßig im Rahmen von Trier für Treverer durch die Anlage führt – und dabei weit mehr tut, als nur Fakten aufzuzählen.

 

Klasen kennt die verstecktesten Winkel, hat jahrelang gesammelt, recherchiert, gegraben – teils im wörtlichen Sinne. Ein Weltkriegsdenkmal, das er selbst erst nach intensiver Suche fand, war einst so eingewachsen, dass selbst langjährige Kollegen es nicht mehr verorten konnten. Heute sorgt Klasen mit seinem Team dafür, dass solche historischen Zeugnisse nicht in Vergessenheit geraten.

Aber was macht eigentlich ein Friedhofsmeister den lieben langen Tag? Alles: Pflanzen, planen, trösten, kontrollieren, vermitteln – die Liste ist lang. Seine Erzählungen reichen zurück bis ins Napoleonische Zeitalter, werfen Licht auf eine durchschnittliche Kindersterblichkeit von 37,5 % im 19. Jahrhundert und führen sogar in einen historischen Sezierraum mit eingebautem Glockenzug für – ja, wirklich – Scheintote.

 

Der Hauptfriedhof Trier ist ein Ort der Kontraste. Da stehen neogotische Kapellen neben stillen, modernen Grabfeldern. Mehr als 3.000 Kriegsopfer sind hier begraben – aus Deutschland, Russland, Serbien, jüdische und zivile Tote. Man kann die Geschichte spüren, ohne sich erdrückt zu fühlen. Wer mag, hört dem leisen Knarzen der Bäume zu, beobachtet das Lichtspiel in der „alten Kapelle“ oder bleibt an einem kunstvollen Relief stehen, das mehr sagt als jedes Geschichtsbuch.

Ein Besuch auf dem Friedhof ist keine düstere Angelegenheit. Sondern eine Einladung, Trier aus einer anderen Perspektive kennenzulernen. Ehrlich, ruhig, berührend – und überraschend lebendig. Und wer sich jetzt noch fragt, wer der „Nackte Mann“ auf dem Hauptfriedhof ist? Den lernt man am besten vor Ort kennen.

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Ursprünglich aus Trier, konnte ich mich während mehrerer Jahre Abwesenheit und Stationen im In- und Ausland davon überzeugen, dass es sich in der Heimat doch sehr gut leben lässt. Zum Bleiben haben mich, neben dem Riesling, u. a. auch die regionalen Wandermöglichkeiten, vor allem in Eifel und Luxemburger Schweiz, sowie die geniale Nähe zu Frankreich bewegt.

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