Stadtgeschichte und WelterbeUNESCO-Welterbe Trier

Die Viezstraße

Die Viezstraße

Ein Schluck Trierer Kulturgeschichte

Spätestens seit im März 2024 der wichtige Bescheid in Trier eintrudelte, dass dem regionalen Traditionsgetränk, dem Viez, eine historische Ehrung entgegengebracht wird, ist ein regelrechter Hype um den herb-säuerlichen Apfelwein ausgebrochen. Die Neugier, was es mit dem neu ernannten immateriellen Kulturerbe der UNESCO auf sich hat, bewegte sogar die skeptischsten Einheimischen und Gäste dazu, eine Porz in die Hand zu nehmen. Mit der Ehrung, die im Oktober 2024 offiziell verliehen wurde, gesellt sich der Viez in eine illustre Runde kultureller Phänomene – Schulter an Schulter mit der Berliner Technokultur, dem Kneippen und dem oberpfälzischen Spitzenklöppeln. Das frisch geadelte Kulturgut hat einen zweiten Blick – bzw. zweiten Schluck – in jedem Fall verdient. Höchste Zeit , sich einmal anzuschauen, wo der Viez eigentlich herkommt und eine Reise entlang der Viezstraße anzutreten.

 

Während überregional gerne von Apfelwein gesprochen wird, hat das Trierer Kultgetränk es vergleichsweise ganz schön in sich. Viez wird traditionell trocken ausgebaut und hat einen Alkoholgehalt zwischen 5 und 7 Prozent. Sein Name, so munkelt man, geht schon auf die Römer zurück, die in der vergleichsweise kühlen Mosel-Gegend, die im Kontrast zu den italienischen Hügellandschaften damals noch völlig weinlos daherkam, einen Ersatzgenuss suchten und den Apfelwein ‚Vice-Vinum‘ – Ersatz-Wein – tauften. Zunächst also eine Notlösung in ungemütlichen Gefilden, hat sich der Viez über die Jahrhunderte zu einem authentischen Stück Saar-Mosel-Kultur entwickelt.

 

Anders als ihr Name suggeriert, handelt es sich bei der Viezstraße nicht unbedingt um einen linearen Verlauf von A nach B (also von Merzig nach Trier). Vielmehr benennt sie jenen Landstrich der Mosel-Region, den seine ausladenden Streuobstwiesen auszeichnen. Er begeistert nicht nur Viez-Fans, sondern auch Radfahrer und Wanderer. Bunte Obstwiesen, idyllische Dörfer und sanfte Muschelkalkhügel prägen das Landschaftsbild. Die Gasthöfe und Hofläden der Region servieren mehr als nur Viez und zeigen, was man aus Äpfeln alles machen kann: Apfelschnaps, Apfelkuchen, Apfelmarmelade, Apfelsaft, Apfelkompott, …

© Andreas Scherf

Neben den Gaumenfreuden lohnen auch zahlreiche andere Highlights entlang der Viezstraße einen Besuch. In Merzig etwa lädt der Garten der Sinne gerade im Frühling dazu ein, den Duft der Obstblüte zu erleben. Weiter im Süden verspricht die Villa Borg eine Zeitreise ins römische Reich, die sogar ins Kulinarische hineinreicht: In der Taverne können römische Speisen probiert und – wie sollte es anders sein – auch mit einem Viez oder einer Viezschorle runtergespült werden. Wer vom Zeitreisen nicht genug bekommt, der kann im Freilichtmuseum Roscheider Hof bei Konz auch zurück in den Hunsrück des 19. Jahrhunderts reisen. Jeden letzten Sonntag im Monat füllen sich die alten Bauernhäuser noch zusätzlich mit Leben, wenn Vorführungen historischer Handwerkskünste große und kleine Historiker in ihren Bann ziehen. Wander- und Sportbegeisterte hingegeben haben die Möglichkeit, sich dem Viez mit körperlichem Einsatz zu nähern und auf der etwa 14 km langen Traumschleife ‚Wehinger Viezpfad‘ zwischen alten Apfelbäumen, schmalen Pfaden und quirligen Gewässern den Ursprung des Kultgetränks erkunden. Spätestens hier wird klar, warum die UNESCO den Apfelanbau als prägend für die Kulturlandschaft und die Biodiversität der Region bezeichnet.

© Andreas Scherf

Wer sich für seltene und alte Obstsorten interessiert, wird während einer Erkundungstour überrascht sein, wie viele verschiedene Apfelsorten an der Viezstraße beheimatet sind. Vom „Roten Trierer Weinapfel“ über den „Eifler Rambur“ bis hin zur „Luxemburger Renette“ – jede Sorte hat ihre eigenen Eigenschaften. Der Eifler Rambur – oder Winterrambur – etwa ist eine vergleichsweise große Apfelsorte, die sich anhand ihrer flachen Form und orange-roten Flammung auf grünem Grund gut erkennen lässt. Im Vergleich dazu zeichnet sich der Rote Trierer Weinapfel – auch als Roter Holzapfel bekannt – durch kleine, feste Früchte aus, die ausschließlich zur Mostverarbeitung genutzt werden. Wer die Geheimnisse der Obstsortenvielfalt ergründen will, der sollte sich Zeit nehmen, durch die Wiesen zu streifen und direkt bei den Erzeugern vorbeischauen, wo sich immer noch am besten erlenen lässt, was den Viez eigentlich zu etwas Besonderem macht.

Ein Schluck Trierer Kulturgeschichte

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Ursprünglich aus Trier, konnte ich mich während mehrerer Jahre Abwesenheit und Stationen im In- und Ausland davon überzeugen, dass es sich in der Heimat doch sehr gut leben lässt. Zum Bleiben haben mich, neben dem Riesling, u. a. auch die regionalen Wandermöglichkeiten, vor allem in Eifel und Luxemburger Schweiz, sowie die geniale Nähe zu Frankreich bewegt.

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