Jede gute Geschichte braucht einen guten Anfang. Die Geschichte des „Riograndenser Hunsrückisch“, einem Dialekt aus Brasilien, der auch das Trierische bzw. Moselfränkische beinhaltet, hat diesen Anfang.
Mut zahlt sich aus
Gut, ein wenig abenteuerlich ist die Geschichte des französischen Prinzen von Joinville, der in den 1840ern versehentlich in Brasilien landete, dort die Schwester des brasilianischen Königs ehelichte und wegen der 1848er Revolution nicht nach Paris konnte, sondern in Hamburg landete, schon. Aber auch das macht ja oft eine gute Geschichte aus. Mit einigen ebenso mutigen wie armen Siedlern kehrte das Paar etwas später nach Brasilien zurück. Gemeinsam gründeten sie das kleine Städtchen Joinville in Santa Catarina.
Aus eins mach zwei
Doch wo schon das Abenteuer angefangen hat, legt es auch gerne noch eine Schippe drauf. Denn dem Prinzen nach tat es ein Apotheker aus Braunschweig namens Blumenau. Auch er gründete mit einigen Siedlern rund 100 Kilometer südlich von Joinville eine Stadt, die er – natürlich – nach sich benannte. Verbunden wurden Blumenau und Joinville wenig später durch die Hanseatische Kolonialgesellschaft, die die leere brasilianische Staatskasse dadurch füllte, dass sie weite Landstriche zwischen den beiden Städtchen aufkaufte. Blumenau war umtriebig im Anwerben neuer Siedler, die von ihren Regierungen bereitwillig ziehen gelassen wurden und so die eigene Staatskasse nicht länger belasteten. Die Siedler wiederum hofften auf ein besseres Leben in der brasilianischen Sonne – die harte Arbeit des Neuaufbaus scheuten sie nicht.
Kommunikation ist alles
Und so kamen viele verschiedene Nationalitäten und Dialekte in die Gegend rund um den Río Itapocu und etwas weiter südlich: aus dem Hunsrück und dem Moseltal, aus Pommern und Schwaben, aus Bayern und Norddeutschland. Es kamen Menschen aus der Krim, aus dem Kaukasus, aber auch italienisch sprechende Siedler aus Südtirol, die mit den bereits ansässigen Italienern schnell „spracheinig“ wurden. Die deutschsprachigen Siedler saßen jedoch ein wenig zwischen allen Sprachstühlen. Um sich vor Ort schnell an den Austausch auch mit den Einheimischen machen zu können, entwickelte sich eine Art „verbaler Eintopf“, in den von allem ein bisschen hineinkam: Hochdeutsch, Moselfränkisch, Eifelanerisch, Hunsrückisch, Portugiesisch, Italienisch. Heute ist dieser Dialekt als „Riograndenser Hunsrückisch“ (hunsriqueano riograndense) oder als Katharinensisch bekannt, bezogen auf die brasilianischen Bundesstaaten Rio Grande do Sul und Santa Catarina, wo er besonders verbreitet ist. Gesprochen wird er leider nur noch von wenigen, unter anderem auch deshalb, weil die deutsche Sprache – und damit auch das Riograndenser Hunsrückisch – während des 2. Weltkriegs nicht in der Öffentlichkeit verwendet werden durfte und deshalb die damals Jüngeren gleich das unproblematische Portugiesisch als Erstsprache lernten.
Aber wie so viele Dialekte hofft auch das Hunsrückisch in Brasilien auf seine Renaissance. Wir helfen gerne: Mit Trier ist die entsprechende Facebookseite „Riograndenser Hunsrückisch“ jedenfalls schon einmal verbunden!