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Von Trier nach Milwaukee

Von Trier nach Milwaukee

Was verbindet eine deutsche Römerstadt mit einer US-Metropole am Michigansee? Auf den ersten Blick: nicht viel. Doch ein genauerer Blick auf die Geschichte der Bar „Von Trier“ zeigt, wie stark Heimat, Kultur und persönliche Begegnungen Orte prägen können – über Kontinente hinweg.

Als Karl Lotharius seine Bar 1978 in Milwaukee eröffnete, war der Name kein Zufall. „Von Trier“ war mehr als ein Gruß aus der Ferne – es war eine Hommage an seine Herkunft, ein Versuch, das Gefühl von Heimat neu zu verorten. Der gebürtige Trierer wollte einen Ort schaffen, an dem nicht nur Bier ausgeschenkt, sondern Kultur gelebt wird. Einen Ort, der Erinnerungen wachruft – und neue schafft.

Freundschaft, Mut – und ein bisschen Schicksal

Geboren 1934 in Trier, arbeitete Lotharius in der Bierhalle seiner Familie, bevor ihn das Leben 1957 überraschend in eine neue Richtung lenkte. Bei einem Treffen mit dem US-Soldaten Bob Zbleski auf dem Flugplatz in Trier entwickelte sich eine Freundschaft – und eine ungewöhnliche Idee: Lotharius bat Zbleskis Großeltern aus Milwaukee um eine Einwanderungspatenschaft. Sie sagten ja.

Der Weg in die USA war kein direkter in die Selbstständigkeit: Lotharius arbeitete sich durch – als Türsteher, Ingenieur, Organisator. 1972 kaufte er schließlich die Diskothek „Oliver’s“ – ein Hotspot mit Tanzwettbewerben und großem Zulauf. Sechs Jahre später wagte er den nächsten Schritt: Er übernahm die Bar von Frank Rieder und formte daraus „Von Trier“.

 

Deutsche Seele mit amerikanischem Herz

Lotharius interpretierte den Charme deutscher Bierhallen auf seine Weise: mit Geweihen, Schnitzereien, Glasfenstern und Wandgemälden aus Trier – vieles original importiert, manches lokal gefertigt. Die Mischung wirkte: „Von Trier“ wurde zum Treffpunkt der deutschstämmigen Community in Milwaukee – und zum Anlaufpunkt für alle, die auf der Suche nach Authentizität, Geselligkeit und einem Hauch Europa waren.

Nach dem tragischen und bis heute ungeklärten Tod von Lotharius führte sein Barmanager Mark Eckert die Bar weiter. Später übernahm die Familie Sidoff; heute ist sie im Besitz neuer Betreiber – doch Atmosphäre und Name blieben erhalten.

 

Ort der Begegnung

Bis heute ist „Von Trier“ mehr als nur Bar – es ist Wohnzimmer, Kulturraum, Ort der Erinnerung. Strickabende, Lesungen, Deutschkurse – hier wird Kultur nicht ausgestellt, sondern geteilt. Im Biergarten, beim Stammtisch oder beim Oktoberfest: Aus Fremden werden hier Freund*innen, aus Geschichten wird Gemeinschaft.

 

Eine Brücke zwischen den Welten

„Von Trier“ zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie Orte Identität bewahren und zugleich neue schaffen können. Die Bar steht sinnbildlich für eine Verbindung, die nicht geografisch, sondern emotional ist: zwischen Milwaukee und Trier, zwischen gestern und heute, zwischen Herkunft und Zukunft.

Eine Bar, zwei Kulturen

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Meine größte Leidenschaft ist es, Neues zu lernen - oder es zumindestens zu versuchen. Das funktioniert zwar nicht immer, aber allein beim Versuch, habe ich schon was Neues gelernt.

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